Typisch Emil
Phil Meyer, Schweiz, 2024o
Ein Rückblick auf die Karrierere des demnächst 92jährigen Deutschschweizer Kabarettisten Emil Steinberger. Der Film geht dabei über den nostalgischen Blick auf die beliebten Bühnen-Figuren und die schönsten Auftritte hinaus und taucht ein in eine Welt, in der Emil gegen die Schatten seiner Kindheit und den Druck des Ruhms kämpfte, um seinen Platz als Komiker zu finden und sich immer neu zu erfinden.
Wer das Deutschschweizer Kulturleben vor den 1980er Jahren nicht erlebt hat, macht sich keine Vorstellung von der damaligen Popularität des Luzerner Kabarettisten Emil Steinberger. Emil füllte mit seinem Gespür für heillos verknorzte Deutschschweizer Spiesser und seinem Gehör für deren Sprache voller absurder Abbrüche und Widersprüche landesweit die Säle, war allgegenwärtig im Fernsehen, bescherte dem Zirkus Knie einen Saison mit 1.4 Millionen Eintritten, machte Die Schweizermacher zum erfolgreichsten Schweizer Film alle Zeiten und wurde mit seinen Persiflagen auf liebenswertes Schweizer Bünzlitum sogar zum Publikumsliebling in Deutschland. Der Porträtfilm des jungen Luzerner Dokumentaristen Phil Meyer rollt dieses lange Künstlerleben auf, indem er den hellwachen 90-Jährigen zusammen mit seiner zweiten Frau selber zurückschauen lässt und reiche Zeitzeugnisse in den Rückblick einflicht. Das Private bleibt dabei bis auf die Jugend im Milieu ängstlicher Biederkeit und das späte Liebesglück seit der zweijährigen Flucht vor dem Ruhm nach New York ausgespart, das letzte Viertel des Films franst mit der Wiederaufnahme von Schlüsselrollen durch den gealterten Komiker behaglich-behäbig aus. Das packende Herzstück aber bleiben Emils fortlaufende und gänzlich uneitle Betrachtungen über diesen unheimlichen Erfolg und seinen Preis sowie, selbstverständlich, die Tour d'horizon seiner legendären Figuren und Nummern, die Emils komisches Genie schlagend vergegenwärtigen: mehr als fünfzig Jahre später noch immer unglaublich treffend und umwerfend lustig der widerwillige Postbeamte, der frischgebackene Vater am Kinderwagen oder der Polizist im Nachtdienst, der sich nie vom Telefon wegbequemt. Für alle, die's damals nicht live erlebten, eine Offenbarung, für alle andern ohnehin ein Must.
Andreas Furler