Prisoners of Fate
Mehdi Sahebi, Schweiz, 2023o
Der Deserteur Mahmad, die von ihrem kleinen Sohn getrennte Sanam, Ezat, der sich um seine zurückgelassene Mutter sorgt, schliesslich der Jugendliche Omid, der mit überwältigendem Heimweh zu kämpfen hat: Vier Flüchtlinge aus dem Iran und aus Afghanistan in der Schweiz, vier Schicksale und Lebenswelten, doch vor allem vier Persönlichkeiten, die uns in allen Schattierungen nahe kommen und eines gemeinsam haben. Sie wollen keine Gefangene ihres Schicksals bleiben.
Das Schicksal von unzähligen Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, hat sich in den letzten Jahrzehnten auch in unzähligen Dokumentarfilmen darüber niedergeschlagen. Doch nur wenige Werke stechen wirklich heraus. Zu ihnen zählt Mehdi Sahebis Prisoners of Fate, der letztes Jahr für den Schweizer Filmpreis nominiert und mit dem Zürcher Filmpreis als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde. Tatsächlich ist es nicht der übliche Flüchtlingsfilm. Das liegt unter anderem daran, dass Sahebi vor mehr als dreissig Jahren selbst als als Flüchtiger aus dem Iran in die Schweiz kam, was ihm nicht nur einen privilegierten und einfühlsamen Zugang zu seinen Protagonist:innen – zum Grossteil ebenfalls aus dem Iran stammend – gewährt, sondern auch einen ganz eigenen Blick. In selten gesehener Weise zeigt Sahebi die Asylsuchenden in all ihrer menschlichen Komplexität, statt sie primär im Rahmen einer nötigen, aber voraussehbaren Behördenkritik zu instrumentalisieren, wie es viele andere Filme zum Thema tun. Der Film gibt ein zutiefst empathisches, aber gleichwohl kein idealisiertes oder rührseliges Bild seiner Protagonist:innen ab und ringt nicht ständig mit einer Mitleidshaltung. So finden sich auch leichte Momente: Die Interaktionen zwischen zwei befreundeten iranischen jungen Männern sind streckenweise so köstlich amüsant, dass die beiden schon fast als Komiker-Duo auftreten könnten. Dennoch bleibt Prisoners of Fate immer auf sein Kernthema fokussiert: Auf den täglichen Kampf um Freiheit, der in der Heimat begann und in der Schweiz besonders als Kampf um die eigene Würde weitergeht. Um die Würde von Menschen, die in ihrem Schicksal gefangen sein wollen.
Till Brockmann