Le roman de Jim
Arnaud Larrieu, Jean-Marie Larrieu, Frankreich, 2024o
Aymeric trifft Florence, eine ehemalige Arbeitskollegin, eines Abends in Saint-Claude im Haut-Jura. Sie ist im sechsten Monat schwanger und alleinstehend. Als sie Jim zur Welt bringt, ist Aymeric dabei. Sie verbringen glückliche Jahre miteinander, bis Christophe, Jims leiblicher Vater, auftaucht.
Man muss bereit sein, zwei Unglaubwürdigkeiten hinzunehmen, wenn man sich auf den neuen Film der Brüder Larrieu einlässt: Zum einen, dass der gleiche Schauspieler dieselbe Figur im Alter von 20 bis 50 Jahren spielt, zum anderen, dass gewisse Dialoge in wenigen Sätzen zusammenfassen, was sich über mehrere Jahre hinweg ereignet hat. Beides mindert die emotionale Wucht in diesem Fall jedoch keineswegs. Als Kenner des Melodramas wissen die Larrieus, dass das Kino eine Nachahmung des Lebens ist: Die Wahrscheinlichkeit ist zweitrangig, die Echtheit der Tränen zählt. Auf einer Party trifft Aymeric eine ehemalige Kollegin, Florence, die schwanger ist. «Es gibt keinen Vater», sagt sie ihm gleich zu Beginn, bevor sie die Nacht miteinander verbringen. Ab der Geburt des Jungen, der Jim getauft wird, schliesst Aymeric ihn ins Herz, als wäre er sein eigener Sohn. Das Paar und das Kind verbringen glückliche Jahre, bis der leibliche Vater wieder auftaucht. Eines Tages beschliessen dieser und Florence, ein neues Leben in Kanada anzufangen, so dass Jim aus Aymerics Leben verschwindet. Sobald die dramatische Handlung in Gang gekommen ist, fiebert man mit Aymeric, der von Karim Leklou mit einer menschlichen, allzu menschlichen Sanftheit meisterhaft verkörpert wird. Gleichzeitig schwankt man zwischen Verständnis und Widerwillen gegenüber Florence (von Laetitia Dosch ebenso treffend gespielt). Und man ist überrascht, dass die Brüder Larrieu trotz der Dramatik der Situationen nie übertreiben: Die Nüchternheit der Inszenierung kontrastiert mit der Intensität der Emotionen – und steigert sie damit noch, so unglaublich das erscheinen mag.
Émilien Gür